Eckhard Jirgens
Die deutschen Musiksendungen im Rundfunk der 1.Tschechoslowakischen Republik
Dr. Oskar Benjamin Frankl, Direktor der „Urania“ in Prag, Verantwortlicher für die deutsche Sendungen in der 1. ČSR |
Historische Rahmendaten
28. Oktober 1918 |
Gründung der Ersten Tschechoslowakischen Republik (1. ČSR) |
23. Mai 1923 |
Offizielle Inbetriebnahme des Prager Rundfunksenders |
7. Juni 1923 |
Gründung der tschechoslowakischen Rundfunkgesellschaft „Radiojournal“ |
25. Oktober 1925 |
Erste offizielle Rundfunksendung in deutscher Sprache. Die Verantwortung für alle deutschen Rundfunkprogramme in der ČSR obliegt dem Prager Volksbildungsverein „Urania“. |
7. Februar 1926 |
Einführung täglicher deutscher Sendungen im Sender Prag |
20. Februar 1927 |
Einführung deutscher Sendungen in Brünn |
1. April 1930 |
Einführung deutscher Sendungen in Mährisch-Ostrau |
14. Januar 1934 |
Einführung eines 2. Programms des Senders Prag mit einem deutschsprachigen Programmanteil |
1. Mai 1938 |
Beginn des deutschen Ganztagsprogramms des Senders Prag (Ausstrahlung über die Sendeanlage in Melnik bei Prag). Die Verantwortlichkeit des inzwischen nationalsozialistisch unterwanderten Prager Volksbildungsvereins „Urania“ erlischt. |
29. September 1938 |
Im Münchener Abkommen wird die Abtretung der Sudetengebiete an das Deutsche Reich erzwungen. |
1. – 10. Oktober 1938 |
Besetzung der Sudetengebiete durch die deutsche Wehrmacht; am 1. Oktober vermutlich letzte deutsche Sendung der Station in Mährisch-Ostrau. |
9. Oktober 1938 |
Die Verbindungskabel zwischen der nun auf deutschem Gebiet liegenden Sendeanlage Mährisch-Ostrau und den auf tschechischem Territorium verbliebenen Mährisch-Ostrauer Studios werden unterbrochen, so dass keine Programme mehr übertragen werden können. |
18. Oktober 1938 |
Die deutschen Minderheitsprogramme werden auf täglich eine Stunde gekürzt. |
30. November 1938 |
Konstituierung der Zweiten Tschechoslowakischen Republik |
28. Dezember 1938 |
Spaltung des Tschechoslowakischen Rundfunks in den Tschecho-Slowakischen Rundfunk |
Vorwort zur 1. Fassung
Beginnend mit der ersten Musiksendung des Deutschen Rundfunks der Ersten Tschechoslowakischen Republik (1. ČSR) am 1. November 1925 bis zum Silvesterabend des Jahres 1938 wird dieser Teil deutscher Musikgeschichte datenmäßig erfasst und präsentiert.
Die Deutschen Sendungen der 1. ČSR waren als Minderheitenprogramme konzipiert. Ihre Initiatoren und Produzenten, vor allem die Mitarbeiter des „Prager Deutschen Volksbildungsvereins Urania“, betrachteten sich als Bewahrer und Förderer des historisch gewachsenen, multikulturellen Erbes des Landes. Hierin stimmten sie mit den Aufgaben und Zielen des damaligen tschechoslowakischen Rundfunks, repräsentiert durch die monopolistische Sendegesellschaft „Radiojournal“, überein. In diesem Sinne beinhaltet die vorliegende CD-ROM als solche gleichermaßen auch wichtige Dokumente dafür, dass die tschechoslowakische Rundfunkgesellschaft „Radiojournal“ durchaus erfolgreich eine auf Vielfalt und Toleranz hin angelegte Kultur- und Medienpolitik betrieb.
Die vorliegende Datensammlung ist keineswegs nur für den an der Musikgeschichte Interessierten relevant, da musikhistorische Ereignisse immer auch in viele andere historische Bereiche hineinwirken. Allein die Tatsache, dass ein zentraler Bereich originär deutschen Kulturlebens bis einschließlich 1938 erschlossen wird, der nicht der nationalsozialistischen Zensur (und damit den Weisungen des Reichspropagandaministeriums) unterworfen war, sondern sich innerhalb eines weitgehend demokratischen Umfeldes entwickeln und vollziehen konnte, wird auch Konsequenzen für mancherlei interdisziplinäre Forschungsansätze in diesem räumlichen und zeitlichen Bereich haben.
Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass der Tschechische Rundfunk für die erforderliche Materialbeschaffung und -sichtung seine Archive öffnete und damit den Weg für diese und weitere, in Zukunft noch anstehende Forschungsvorhaben ebnete. Für die große Kooperationsbereitschaft vor Ort sei insbesondere dem Personal des Zentralarchivs des Tschechischen Rundfunks in Přerov nad Labem unter der Leitung von Frau Eva Ješutová und Frau Dr. Zlatuše Kukánová herzlich gedankt. Dank für die organisatorische und materielle Unterstützung aller Arbeiten gebührt auch Herrn Widmar Hader und Herrn Dr. Torsten Fuchs vom Sudetendeutschen Musikinstitut in Regensburg, der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste in München, dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, München, dem Bundesministerium des Inneren, Bonn, Herrn Michel Bodson (Ateliers Louis Carton S.A.), Tournai (Belgien), Herrn Oswald Haberhauer von der Firma Krupp-Polysius in Beckum, Herrn Hugo Langshur (St.Lambert, Quebec/Kanada) sowie Frau Dr. Agata Schindler (ehemals Zentrum für Zeitgenössische Musik in Dresden).
Schwelm 1999
Eckhard Jirgens
Vorwort zur 2. Fassung
Im Jahre 2000 schloss das Sudetendeutsche Musikinstitut in Regensburg sein umfängliches Forschungsprojekt „Sudetendeutsches Musiklexikon“ ab, dessen Resultate noch im gleichen Jahr in einer zweibändigen Enzyklopädie mit dem Titel „Lexikon zur Deutschen Musikkultur. Böhmen – Mähren – Sudetenschlesien“ erschienen. Die Fülle an Informationen, die dieses Werk zur Musikkultur dieser Regionen, zu zahlreichen Komponisten und ihren Werken, enthält, konnte im Hinblick auf die bereits im Jahr 1999 veröffentlichte Materialsammlung zu den Deutschen Rundfunksendungen der 1. Tschechoslowakischen Republik nicht länger unberücksichtigt bleiben. Hinzu kommen viele ergänzende Informationen aus Texten, die für das wöchentliche Sendeformat „Vorschau auf die Musikprogramme der kommenden Woche“ – insbesondere in den Jahren 1931 bis 1934 – verfasst worden waren und im Zentralarchiv des Tschechischen Rundfunks in Prag aufgefunden wurden. Als weitere effektive Informationsquelle hat sich schließlich das Internet erwiesen, mit dessen Hilfe in zahlreichen Fällen Gewissheit über die Instrumentierung von Werken, Stimmlagen von Interpreten, korrekte Namensschreibungen u.a.m. gewonnen werden konnte. Auf dieser Basis ließen sich viele Zweifelsfälle und Lücken, die bis 1999 noch nicht hinreichend zu klären waren und darum schlicht offen gelassen werden mussten, ausräumen bzw. schließen; annähernd 500 Datensätze konnten getilgt, ca. 100 neue Datensätze hinzugefügt und mehrere tausend Datensätze (vor allem in den Spalten „passiv“, „passiv+“ und „Titel/passiv++“) ergänzt werden. Die Spalte „Spezies“ ist aufgrund uneindeutiger Kriterien und historisch starken Wandlungen unterliegender Zuordnungspräferenzen bezüglich der Begriffe „U-Musik“ („UM“) und „E-Musik“ („M“) kaum mehr zu rechtfertigen gewesen und darum entfallen.
Insgesamt gesehen ergibt die zweite Fassung der Datenbanken ein präziseres Bild der musikpraktischen und musikkulturellen Situation der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei von 1925 bis 1938.
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die vorgenommenen Ergänzungen zu keinerlei Inkongruenzen mit meiner ausführlichen allgemeinhistorischen Darstellung der Deutschen Sendungen im Tschechoslowakischen Rundfunk der Vorkriegszeit (Eckhard Jirgens. „Der Deutsche Rundfunk der 1. Tschechoslowakischen Republik. Eine Bestandsaufnahme.“ Frankfurt/M. usw. 2005, 2 Teile) geführt haben. Die gleichwohl zahlreichen Änderungen im Dezimalstellenbereich tangieren die zur historischen und statistischen Erfassung von Übernahmen im Simultansendeverfahren eingegliederten Kennziffernlisten in Teil 2 der Bestandsaufnahme („Die Sendungen in Zahlen“) nicht.
Mein herzlicher Dank für die technische Unterstützung bei der Publikation dieser Arbeit gilt Herrn Dominik Rothenberg (Schwelm).
Schwelm 2016 Eckhard Jirgens |
Inhalt
Das vorliegende Datenmaterial umfasst:
alle belegbaren deutschen Musiksendungen in der Ersten Tschechoslowakischen Republik (1. ČSR) bis zum 31.12.1938, die von den Sendern Prag, Brünn, Mährisch-Ostrau, Pressburg und Kaschau produziert worden sind;
alle Musiksendungen des Allgemeinprogramms in der 1. ČSR, bei denen (nach bisherigem Forschungsstand) namentlich bekannte sudetendeutsche Interpreten und Musikologen mitgewirkt haben;
Hilfsverzeichnisse: Abkürzungsverzeichnis; Verzeichnis der Namensabweichungen und Ensemblebesetzungen (Identitäten).
Nicht erfasst worden sind reine Schallplattensendungen sowie die ab Mitte 1936 für das Ausland produzierten Kurzwellensendungen des Tschechoslowakischen Rundfunks.
Quellen
Die Datensammlung beruht auf folgende Zeitungen, Rundfunkprogramm-Zeitschriften und Sekundärmaterialien:
Deutsche Zeitung Bohemia, Prag (vom 20. Oktober 1925 – 26. Februar 1927), Bibliothek des Instituts für Auslandsbeziehungen, Stuttgart.
Programmzeitschrift Deutscher Rundfunk der Tschechoslowakei, Leitmeritz, später Reichenberg (Heft 1/1928 – Heft 23/1930 = 8. Januar 1928 – 11. Juni 1930; Heft 37/1931 – Heft 47/1932 = 13. September 1931 – 26. November 1931). Zentralarchiv des Tschechischen Rundfunks, Přerov nad Labem. Gebunden zu Halbjahresbänden, ohne Signatur.
Programmzeitschrift Europastunde/Deutscher Rundfunk der Tschechoslowakei, Reichenberg (Heft 1/1933 – Heft 26/1937 = 4. Januar 1933 – 26. Juni 1937; Heft 1/1938 und Heft 26/1938; die Hefte 2/1938 – 25/1938 und 27/1938 – 52/1938 sind verschollen). Zentralarchiv des Tschechischen Rundfunks, Přerov nad Labem. Gebunden zu Halbjahresbänden, ohne Signatur.
Programmzeitschrift Radiojournal, Prag, deutsche Ausgabe (Heft 35/1927 – Heft 52/1928 = 27. Februar 1927 – 24. Juni 1928; Heft 27/1928 – Heft 27/1929 = 30.12.1928 – 29. Dezember 1929) Zentralarchiv des Tschechischen Rundfunks, Přerov nad Labem. Gebunden zu Halbjahresbänden, ohne Signatur.
Programmzeitschrift Radiojournal, Prag, tschechische Ausgabe (vom 7. März 1925 – 31. Dezember 1938). Zentralarchiv des Tschechischen Rundfunks, Přerov nad Labem. Gebunden zu Halbjahresbänden, ohne Signatur.
Denní protokoly. Poznámky o zavadách poslechu atd. [Tagesprotokolle. Bemerkungen über Beeinträchtigungen des Empfangs usw.] vom 1.1.1933 bis 31.12.1937. Zentralarchiv des Tschechischen Rundfunks, Přerov nad Labem. Gebunden zu Jahresbänden, Signaturen 01/185 ff.
Oskar Benjamin Frankl (Hrsg.), Der Deutsche Rundfunk in der Tschechoslowakischen Republik. Zum 20jährigen Bestand der Prager Urania im Namen des Volksbildungshauses „Urania“ in Prag und mit Unterstützung der Tschechoslowakischen Rundfunkgesellschaft, Prag 1937. Gerhart-Hauptmann-Haus, Düsseldorf.
Anna Jarmila Patzaková, Vývoj Československého Rozhlasu, in: Prvních deset let Československého Rozhlasu, uspořádala A. J. Patzaková, nákladem Radiojournalu čsl. Zpravodajství radiotelefonického, Praha 1935 [A. J. Patzaková, Die Entwicklung des Tschechoslowakischen Rundfunks, in: Die ersten zehn Jahre des Tschechoslowakischen Rundfunks, eingerichtet von A. J. Patzaková, im Selbstverlag des Radiojournal / des Tschechoslowakischen radiotelefonischen Nachrichtendienstes, Prag 1935], S. 13 - 655. Privatbesitz Marie Brandeis, Wien.
Ladislav Šourek, Československý Rozhlas, in: Lidová Výchová v Demokracii, Sborník praci o lidové výchově / vyšších lidových školách / školském a poučném filmu / lidovýchovném rozhlasu / knihovnické propagaci a správě, Praha 1928 [Ladislav Šourek, Der Tschechoslowakische Rundfunk, in: Die Volksbildung in der Demokratie. Eine Sammlung von Arbeiten über Volksbildung, höhere Volksbildungsschulen, Schul- und Lehrfilm, Volksbildung im Rundfunk, die Werbearbeit und Verwaltung der Büchereien, Prag 1928], S. 249 - 265. Universitätsbibliothek Prag.
Ergänzungen / Korrekturen / Übersetzungen
Für die Verzeichnisse der Rundfunksendungen gilt grundsätzlich Folgendes:
In den Quellen teilweise fehlende Bestandteile von Personennamen (insbesondere Vornamen) wurden so weit als möglich anhand von Sekundärquellen ergänzt, offensichtlich sachliche Fehler bei Namen, Datumsangaben, ergänzenden Hinweisen und Werktiteln berichtigt und in den gravierendsten Fällen durch Anmerkungen hervorgehoben. Die in den Quellen häufig auftretenden Druck- und Orthografiefehler wurden unkommentiert in die korrekte deutsche Schreibung übertragen.
Die bei den tschechischsprachigen Quellen erforderlichen Rückübersetzungen von weniger geläufigen deutschen Originaltiteln aus dem Tschechischen sowie die Übersetzungen tschechischer Originaltitel ins Deutsche sind in vielen Fällen in eckigen Klammern „[..]“ hinzugefügt worden, gelegentliche Ergänzungen (z.B. Nummern des Deutsch-Verzeichnisses bei einigen Kompositionen Franz Schuberts) sind ebenfalls auf diese Weise hervorgehoben.
Eine einheitliche Übersetzung unterschiedlich wiedergegebener Bezeichnungen ein- und desselben Werkes wurde immer dann gewählt, wenn das Gemeinte für den Benutzer ohne Tschechischkenntnisse vermutlich nicht mehr deutlich genug erkennbar gewesen wäre (Bsp.: Josef Zadražils Oper „Souboj“ ist in den deutschsprachigen Rundfunkzeitschriften sowohl mit „Der Zweikampf“ als auch mit „Das Duell“ übersetzt worden. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist in den Tabellen aber stets nur eine Variante – im konkreten Fall der Werktitel „Zweikampf“ – aufgeführt).
Aufbau der Tabellen
Die Vielfalt und -zahl der rundfunkhistorischen Ereignisse erforderten eine entsprechend aufwändige, detaillierte Aufbereitung des Materials in Form von Spalten (äußerer Aufbau) und graphematisch-lexikalisch-syntaktischen Normen innerhalb der Spalten (interner Aufbau). Ausführliche Erklärungen, z. T. auch mit Beispielen, entnehmen Sie bitte den Seiten „Assistenz“, „Abkürzungsverzeichnis“ und „Identitäten und Ensembles“ – Letzteres ein Verzeichnis unterschiedlicher Schreibungen des Namens ein- und derselben Person.